Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Marc Lachmann -
Anzahl Antworten: 17
Eben nicht!

An mir war die Absicht das Urheberrechtsgesetz zu novellieren bis heute vorbeigegangen.

Aber es gibt Licht am Ende des Tunnel und ggf. können Lehrer im Rahmen ihres Unterrichts wesentlich unproblematischer Unterrichtsmaterialien in moodle einstellen. Weitere Infos findet man hier:
http://irights.info/index.php?id=81&tx_ttnews%5Btt_news%5D=179&cHash=9e2532ee45

Die Schulbuch-Verlage laufen auf jeden Fall Sturm.


Gruß

Marc
Mittelwert:  -
Als Antwort auf Marc Lachmann

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Friderike Laube -
Ich habe diesen Link, auf den Sie verweisen, mit großem Interesse gelesen. Aber inzwischen sind gut drei Jahre vergangen.
Und: Wie sieht inzwischen die rechtliche Lage aus?

Diese meine Gedanken werden sicher nicht nur von mir so "gedacht" und ins Kalkül gezogen, ab wann wir alle, die Moodle anbieten, Ärger bekommen u.U. wg. Urheberrechtsverletzungen?
Woher soll der Lehrer denn das Material nehmen, wenn er seine interessierten Schüler nicht schulbuchnah in der Freizeit durch Intranets etc. mit Infos und Übungen füttern darf?
Wir müssen wohl das Rad immer wieder aufs Neue erfinden, umd den Schulbuch-Verlagen nicht auf die Füsse zu treten.
Gruß Friderike
Als Antwort auf Friderike Laube

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Ralf Hilgenstock -
Nutzerbild von Besonders aktive Moodler Nutzerbild von Deutsche Moodle Übersetzer Nutzerbild von Entwickler Nutzerbild von Moodle Partner Nutzerbild von Translators
Hallo Friderike,

die urheberrechtliche Lage hat sich insofern geändert als Teile urheberrechtlich geschützter Werke für Schulen und Hochschulen genutzt werden können sofern es der Urheber nicht explizit ausschließt. Für diese Nutzung zahlen die Bundesländer eine Pauschalabgabe.

Bei den Schulbüchern ist hier jedoch eine Zustimmung des Verlages erforderlich: http://www.vbe-nrw.de/barrierefrei/1/content_id/1640.html?session=438dcdfdb453633b23fcff3b8ce71b9b

Bei anderen Werken kann man in geringem Umfang (ca. 10 %) Material nutzen.

In der Koalitionsvereinbarung gibt es einen Abschnitt zum Urheberrecht (http://pfau.e-technik1.uni-rostock.de/091024-koalitionsvertrag-cducsu-fdps.html#koa_line4759)

Daraus ergibt sich, dass sich in den nächsten Jahren an der grundsätzlichen rechtlichen Situation nichts verändern wird.

Das bedeutet für mich: Es wird vermutlich keine grundsätzliche Freigabe geschützter Materialien für Unterrichtszwecke geben.

Ich habe in diesem Jahr selber Gespräche in mehreren Verlagen geführt. Mein Eindruck: die Verlage sind sich recht unsicher darüber, ob die Online-Lernplattformen für sie ein attraktives Geschäftsfeld sind oder werden können. Heute sind sie es noch nicht. Die Produktion von online Material ist kostenaufwendig. Es lohnt sich also nur wenn:
  1. Lehrer, Schule, Schulträger Nutzungslizenzen kaufen
  2. die unentgeltliche Weitergabe von lizensiertem Material nicht erfolgt oder unterbunden ist.
In beiden Feldern gibt es zur Zeit deutliche Schwächen. Die Bereitschaft der Schulen digitale Medien im Rahmen der Lehrmittelbeschaffung zu ordern ist unterentwickelt. Hier können Fachkonferenzen vorangehen.

Ein klares Bekenntnis der Lehrer, urheberrechtliche Besitzstände anzuerkennen ist ebenfalls bislang nicht erfolgt.

Gibt es Lösungen? Ja, ich glaube fest daran:
  • auf technischer Ebene
    • Wir sind mittlerweile in der Lage, technisch die Weitergabe von digitalen Medien von einer Moodle-Instanz auf eine andere zu unterbinden. Digitale Objekte können, sofern sie als SCORM (Lernpaket) bereitgestellt werden wirkungsvoll geschützt werden. Mehr Infos bei mir.
  • auf der Ebene der Content-Produktion
    • Wir sind kurz davor, eine Möglichkeit anzubieten, kooperativ in Gruppen Content zu produzieren. Damit kann systematisch zu den Lernstoffplänen/Kernlehrplänen/Curricula erfolgen. Damit stünden alle Wege offen, Lernmedienpools zu erarbeiten. Mehr Infos gewünscht? Gerne. Bitte bei mir melden.
  • auf der juristischen Ebene. Machen wir uns einmal klar, was geschützt ist und was nicht
    • Geschützt sind:
      • Werke, die eine eigenständige schöpferische Leistung darstellen
      • Das sind eine Zeichnung, ein Foto, eine Malerei, ein längerer Text, eine Illustration.
    • Nicht geschützt sind u.a.:
      • Gesetzes- und Verordnungstexte, Richtlinien und Erlasse bei denen die individuelle Leistung einer Person nicht im Vordergrund steht
      • öffentlich gehaltene Reden insb. zu tagesaktuellen Fragen (§ 48 Urhebebergesetz)
      • Werke, deren Urheber länger als 70 Jahre tot ist. Bsp.: Brecht ist im August 1956 verstorben. Seine Werke sind ab 2027 gemeinfrei. (§ 64 UrHG)
      • m.M.n. sind ebenfalls bestimmte unterrichtliche Aufgabentypen nicht geschützt: Bsp.: Mathematikbuch. Grundrechenarten.
        Die Aufgabenstellung '27-23=' ist nicht geschützt. Eine Textaufgabe ist mit ihrem konkreten Text sicherlich geschützt. Eine erkennbare Abwandlung des Textes ist jedoch eine neue Leistung.
        Bsp: 'Max kauft auf dem Markt 3 Stück a und 1 Pfund b und 2 Stück c. c kostet x, a kostet y und b kostet pro Kilo z. Wie viel Geld erhält Max von der Verkäuferin zurück wenn er ihr 10 € gibt?' Dieser Aufgabentyp dürfte m.M. nach nicht über eine ausreichende Schöpfungshöhe verfügen,um dem Urheberschutz zu unterliegen. Zudem dürfte es jedem Verleger schwer fallen nachzuweisen, dass vor der Publikation nicht ein solcher Aufgabentyp bereits andernorts genutzt worden ist. Mit einer Änderung von Max in Claudia und Markt zu Supermarkt und den Warenbezeichnungen geht man also kein Risiko ein. Diese Anpassungen sind m.E. ganz einfach machbar und kosten keine Zeit.
        Ähnlich sehe ich persönlich es bei einer Rechercheaufgabe aus dem Englischbuch: 'Erkunde mit Hilfe des Internets die Möglichkeiten mit dem Zug von London nach Liverpool zu reisen? Welcher Bahnhof ist in London dafür auszwählen und von wo fahren evtl. auch Busse.' Die Schöpfungshöhe des Aufgabentyps ist m.E. nicht ausreichend, um einen urheberrechtlichen Schutz in Anspruch zu nehmen.
      • Erfinden Sie ggfs. drei eigene Figuren, geben Sie ihnen einen eigenen Charakter und nutzen Sie diese immer wieder für eigene Aufgaben.
Kurz nochmal zum Titel der Diskussion: 'Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis.' Grundlage ist natürlich hierfür § 106 UrhG "Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Man könnte mal folgendes an dem Titel des Postings ändern: 'Schulbücher fotokopierende Lehrer müssen ins Gefängnis'. Die Rechtsgrundlage ist beim Kopieren die Gleiche. Die tägliche Schlange am Schulkopierer ist deshalb nicht kürzer. Ist das etwa 'Anstehen am Gefängnistor'?
Dies ist jetzt keine Aufforderung zum Rechtsbruch! Das Problem ist nicht neu. Das Risiko ist auch nicht neu. Die Zahl der im Gefängnis einsitzenden Lehrer ist vermutlich riesig. Jeder Lehrer kann sicher sofort ein Dutzend Kollegen im eigenen Kollegium nennen, die strafrechtlich verfolgt werden. Oder?

Ich würde gerne mal eine Glosse schreiben über den Fotokopierer als rechtsfreien Raum. In den letzten Monaten wurde der rechtsfreie Raum Internet so häufig in politischen Diskussionen genannt.
Ich glaube, wir brauchen eine gesellschaftliche Bestimmung über weiterhin schutzwürdige Güter und eine Kultur des freien Austauschs. Dazu gehören dann aber auch Verfasser und Autoren, die von sich aus erklären, dieses und jenes wird von mir unter einer freien Lizenz publiziert und kann von anderen frei weiter genutzt werden (Creative Commons).
Ich bin mir ganz sicher, dass alleine im Bereich der Lehrer ausreichend Material aus eigener 'Feder' vorhanden ist, dass anderen verfügbar gemacht werden kann und einen riesigen Pool ergäbe. Lehrer müssten sich dann jedoch überwinden und die Sammelleidenschaft in eine Tauschleidenschaft umwandeln. Selbst wenn jeder Lehrer nur 3 % seiner Materialien - die, die sicher selbst erstellt wurden - frei gibt, entsteht ein toller Pool.

Übrigens: haben Sie mal die Fußzeile gelesen unter diesem Beitrag: "All content on this web site is made available under the GNU General Public License, unless otherwise stated. "


Ralf Hilgenstock
Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Sebastian Beck -
Hallo zusammen,

ein Thema, über das man als Moodle-Nutzer nicht gerne nachdenkt. Eine Frage beschäftigt mich allerdings: Wie verhält es sich rechtlich, wenn die entsprechenden Materialien nur in passwortgeschützten Räumen zu Verfügung gestellt werden? Hier sollten - nach meinem laienhaften Empfinden - die gleichen Bedingungen gelten wie in dem Klassenzimmer; somit sollte die Nutzung von Unterrichtsmaterilien auch in Moodle bis zu den prozentualen Grenzen, die der Gesetzgeber festlegt, möglich sein!?

Gruß
Sebastian
Als Antwort auf Sebastian Beck

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Ralf Hilgenstock -
Nutzerbild von Besonders aktive Moodler Nutzerbild von Deutsche Moodle Übersetzer Nutzerbild von Entwickler Nutzerbild von Moodle Partner Nutzerbild von Translators
Das hängt davon ab, wer der Anbieter ist. Das Bildungsprivileg gilt für öffentliche Schulen/Hochschulen. Dort wird eine Pauschalabgabe von den Ländern gezahlt.

Dies ist zunächst befristet bis Ende 2010 (http://www.kmk.org/no_cache/presse-und-aktuelles/meldung/fotokopieren-an-schulen-neu-geregelt.html?cHash=fbb8b0e26e&sword_list[0]=urheberrecht).

http://lehrerfortbildung-bw.de/sueb/recht/urh/lernp/
Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Maik Riecken -
Welcher didaktische und pädagogische Mehrwert entsteht, wenn man bestehendes, urheberrechtlich geschütztes Material in einem Moodlekurs kopiert? Habe ich noch nie verstanden.

frohes Neues,

Maik
Als Antwort auf Maik Riecken

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Ralf Hilgenstock -
Nutzerbild von Besonders aktive Moodler Nutzerbild von Deutsche Moodle Übersetzer Nutzerbild von Entwickler Nutzerbild von Moodle Partner Nutzerbild von Translators
Das finde ich gar nicht so kompliziert zu verstehen:
  • Ein Kapitel aus Hertha Müllers Atemschaukel oder von Juli Zeh sind als Teil des Moodlekurses durchaus von Bedeutung wenn ich ein entsprechendes Thema bearbeite.
  • Ein Kapitel aus GEO Heft 7, S. 13-25 ebenfalls
  • Was ist mit einem 5 Minuten Lehrfilm der FWU?
Der Mehrwert entsteht nicht durch das Medium, sondern durch dessen Einbettung.
Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Maik Riecken -
"Ein Kapitel aus Hertha Müllers Atemschaukel oder von Juli Zeh sind als Teil des Moodlekurses durchaus von Bedeutung wenn ich ein entsprechendes Thema bearbeite."

Warum schafft man - so es um ganze Kapitel geht - das entsprechende Werk nicht an bzw. lässt anschaffen, z.B. als E-Book? Bei keineren Textabschnitten gibt es - zumindest im Lehrbereich - eine recht großzügige Zitierregelung - alles andere finde ich ganz schwierig gegenüber dem Autor, gerade bei literarischen Werken. Textarbeit im Netz lebt in meinen Augen primär davon, dass ich den Text mit z.B. Suchfunktionen zu Leibe rücken kann. Einbetten kann ich auch mit "Medienbruch" - verkaufen/weitergeben kann ich einen solchen Kurs allerdings schwer... Wenn ich stumpf kopiere, empfinde ich es als einen Text in einem anderen Medium, nichts weiter.

"Ein Kapitel aus GEO Heft 7, S. 13-25 ebenfalls"

Dito, besser frei verfügbare Quellen nutzen oder eben korrekt und prägnant zitieren. GEO bietet einen Leserservice - ist natürlich sehr unbequem.

"Was ist mit einem 5 Minuten Lehrfilm der FWU?"

Viel schwieriger, da Video. Ist wahrscheinlich nicht erlaubt und wird es so schnell auch nicht werden. Gibt meist tonnenweise freien Ersatz, wenn das Thema nicht zu speziell ist.

Ich arbeite gerne mit Links auf frei verfügbare Quellen. Ist jedoch riskant, da das Netz sich ständig bewegt. Lehrbücher altern aber auch immer schneller. (Regierungswechsel = alles vorher ist Mist). Moodlekurse wahrscheinlich auch. Kurskonzepte wahrscheinlich langsamer. Vielleicht.

frohes Neues,

Maik

Als Antwort auf Maik Riecken

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Ralf Hilgenstock -
Nutzerbild von Besonders aktive Moodler Nutzerbild von Deutsche Moodle Übersetzer Nutzerbild von Entwickler Nutzerbild von Moodle Partner Nutzerbild von Translators
Hallo Maik

damit gibst du genau eine ganze Reihe von Argumenten für die Nutzung innerhalb eines Moodle-Kurses. Es gilt nun tatäschlich eine fairen Ausgleich für die Nutzung digitaler Medien zu schaffen.

Schauen wir uns das mal genauer von der Produktionsseite aus an. Da ich selber Bücher als Verleger publiziere kenne ich auch die Kostenstrukturen.

Hier ein Beispielkalkulation für ein gedrucktes Buch im Bezug auf den Endpreis im Handel:
  • 10 % Autorenhonorar (öfter niedriger)
  • 5 % Grafik/Layout
  • 15 % Druck
  • 20 % Großhandel
  • 30 % Buchhandel
  • 10 % Marketing, Vertrieb
  • 5-10 % Lektorat, Gewinn/Risiko
Bei digitalen Produkten entfallen die farbig hinterlegten Teile. Dabei sei angemerkt, dass bei manchen Produkten bei digitaler Aufbereitung die Aufwände für Grafik/Layout sich durchaus erhöhen.

Ein digitales Produkt könnte somit für 1/3 des Preises an den Markt gebracht werden. Nun stimmt diese Rechnung insofern nicht ganz, da viele Verlage auch am Großhandel und dem Buchhandel vorbei einen Direktvertrieb betreiben. Das gilt z.B. auch für Teile der Schulbücher. Die Ertragskalkultation sieht dann zu Gunsten der Verlage anders aus.

Digitale Publikationen in Deutschland kosten gleich viel oder geringfügig weniger wie die gedruckten Versionen.

Interessant ist, dass international die Preise für digitale Bücher durchaus anders aussehen.
Bsp:
E-Book bei Packtpublishers
Gedrucktes Buch (Listenpreis 35 €) Verlagspreis: 30€
E-Book 20 €
Bundle (gedruckt + E-Book) 35 €

E-Bücher für Amazons Kindle kosten übrigens häufig genauso viel oder leicht mehr wie die Taschenbuchausgabe des Buches bei Amazon.


Der Aufwand, freien Ersatz für die didaktisch aufbereiteten Inhalte zu finden, ist bislang jedoch noch unverhältnismässig. Wenn ich zwei Stunden suchen muß, um einen 4-Minuten-Film zu finden, der sich eignet, ist das zu lang.

Wir brauchen ganz sicher Verzeichnisse mit Medien, die frei (CC share alike), selber weiter bearbeitet (CC free) oder gegen Gebühr zur Nutzung erworben werden können.





Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Maik Riecken -
"Der Aufwand, freien Ersatz für die didaktisch aufbereiteten Inhalte zu finden, ist bislang jedoch noch unverhältnismässig. Wenn ich zwei Stunden suchen muß, um einen 4-Minuten-Film zu finden, der sich eignet, ist das zu lang."

Da liegt für mich der Hebelpunkt. Ich brauche eigentlich nie mehr als ca. 20 Minuten für die Suche nach einem geeigneten Medium - vielleicht bin ich oberflächlich, vielleicht rechercheerfahren. Wenn mehrere Leute gemeinsam suchen oder sich mit Menschen vernetzt bin, die sich in thematisch ähnlichen Feldern bewegen, dauert eine Suche u.U. nur Minuten.

Dafür - für diese Art von Vernetzung - ist z.B. ein Twitteraccount super. Die Luft für Verlage ist anscheinend noch nicht dünn genug, also muss der Druck von anderer Seite kommen.

Dummerweise scheint mir oft genug der Druck auf Lehrpersonen solidarisch zu sein und in dieser Weise zusammenzuarbeiten auch nicht hoch genug zu sein, trotz des allgemeinen Gestöhnes. Deswegen müssen sich Verlage zur Zeit noch nicht bewegen, auch davon leben sie.

Bsp.:
Wenn sich 15 Englischlehrer jeweils vier Übungssätze zu einem grammatischen Phänomen ausdenken (und nicht aus Heftchen abstottern), kann ich aus 60 Übungssätzen wählen und den Kram mit gutem Gewissen frei verbreiten.

Mir geht es gerade im Gegenteil oft so, dass ich mit vielem kommerziellen Material wenig anfangen kann, primär deswegen, weil es in proprietären Formaten vorliegt (wobei das Moodlekursformat ja prinzipiell auch proprietär, also über Moodle- und Maharagrenzen hinweg kaum portierbar ist - daher ist das SCORM-Modul in meinen Augen sehr wichtig). Multimediales Material, was nicht im Browser "läuft", ist für mich persönlich im konkreten didaktischen Prozess allenfalls als Ideengeber sinnvoll. Was Standards angeht, bin ich sogar so radikal, dass ich Drucker ohne mindestens PCL/Postscript oder Scanner ohne native PDF-Unterstützung (also ohne zusätzliche Software) nicht mehr kaufe.

Es gibt so oft für alles eine Lösung, die aber viel öfter die Überwindung des inneren Schweinehundes und ein Ausbrechen aus dem Gewohnten erfordert.

"Wir brauchen ganz sicher Verzeichnisse mit Medien, die frei (CC share alike), selber weiter bearbeitet (CC free) oder gegen Gebühr zur Nutzung erworben werden können."

Fast jeder bloggende Lehrer stellt sowas bereit, die allermeisten auch unter CC (unter Ausschluss einer kommerziellen Verwendung - m.E. folgerichtig und sinnvoll).
Das Verzeichnis ist in diesem Fall mein Feedreader mit Volltextsuche, also mein "inidividuelles Verzeichnis". Ich glaube nicht daran, dass zentrale Datenbanken dabei in absehbarer Zeit eine wesentliche Rolle spielen werden - aus diversen Gründen.

Gruß,

Maik


Als Antwort auf Maik Riecken

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Steffen Bachmann -
Nutzerbild von Besonders aktive Moodler
Das Problem mit den Lizensen für nicht-kommerzielle Nutzung ist, das dann man vielke Inhalte von Wikipedia oder Wikimedia nicht nutzen kann, die haben oft 'ne CC share alike mit erlaubter kommerzieller Nutzung.
Wenn ich diese Medien nutzen will das ich das nicht einschränken, muß also mein "Werk" auch unter diese Lizens stellen.
Das hat mich bewogen auf meiner Homepage einen Bereich einzurichten (CC share alike, mit kommerzieller Nutzung). Dort werden im Laufe der Zeit Kurse unter Nutzung der o.g. Materialien eingestellt.

Grüße
Steffen
Als Antwort auf Steffen Bachmann

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Maik Riecken -
"Wenn ich diese Medien nutzen will das ich das nicht einschränken, muß also mein 'Werk' auch unter diese Lizenz stellen."

Du bekommst etwas "geschenkt", du profitierst von etwas, was nicht deine Leistung ist. Warum sollte man das rechtemäßig vor einer Weitergabe einschränken wollen? Das ist für mich eigentlich nicht ein Problem...

Es wird nur zu einem Problem, wenn ich als Kommerzieller z.B. exklusive Rechte festschreiben will - das passiert ja immer noch, oder wenn ich diese Materialien kommerziell nutzen will - dann muss ich natürlich die Lizenzbedingungen einhalten, hatte aber auch erheblich weniger Mühe und finanziellen Aufwand bei der Erstellung - es sei denn, ich beschäftigte meine Autoren auf Tantiemenbasis und lasse sie das Risiko weitgehend allein tragen - aber das kommt ja bestimmt nicht vor. Wenn das so wäre, dann würden ja altgediente Geschäftsmodelle wanken und das Jammern und Schaudern nähme kein Ende.

Gruß,

Maik



Als Antwort auf Maik Riecken

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Ralf Hilgenstock -
Nutzerbild von Besonders aktive Moodler Nutzerbild von Deutsche Moodle Übersetzer Nutzerbild von Entwickler Nutzerbild von Moodle Partner Nutzerbild von Translators
Hallo Maik,

die Konsequenz daraus ist Modularität. Man nehme Modul 1-3 kostenfrei, 4-5 kostenfrei, 6-9 selbstgestrickt und baue sich daraus seinen Kurs.

Die Arbeit hat dann jeder Lehrende.

Die verschiedenen Lizenzmodelle haben nebeneinander ihre Berechtigung. Lassen wir sie doch da im Wettbewerb stehen. Die Schulbuchverlage setzen zu einem erheblichen Teil auf aktive Lehrer als Autoren. So schlecht können also Lehrer bei der Content-Produktion nicht sein. Was die Verlage jedoch tun ist eine professionelle grafische Gestaltung sicher zu stellen. Zudem gewährleisten sie eien Kontinuität eines Konzepts durch die Schuljahre. Das ist schon sein Geld wert.

Es gibt für mich da einen Widerspruch, den ich noch nicht aufklären kann:
a) Lehrer planen und gestalten ihren Unterricht selber
b) Lehrer werden nicht dafür bezahlt, Unterrichtsmaterialien selber zu entwickeln.

b) habe ich in den letzten Jahren widerholt gehört. Ist das nun die erfolgreiche Verankerung einer Arbeitsteilung durch Verlage, um sich den Markt zu sichern? Oder Teil einer Überlegung der Lehrerverbände mittelfristig eine andere Unterrichts-Zeit-Verteilung zu schaffen?


Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Maik Riecken -
"die Konsequenz daraus ist Modularität. Man nehme Modul 1-3 kostenfrei, 4-5 kostenfrei, 6-9 selbstgestrickt und baue sich daraus seinen Kurs."

Davon rede ich z.B. seit Jahren. Mit "Einheitsmaterial" kann ich den Wunsch "individuelle Förderung und Gestaltung von Lernprozessen" nicht befriedigen, daher bleibt unter dieser Prämisse die Arbeit so oder so immer beim Lehrenden. Und das wird ja auch in jeder Einheit gemacht: Da ist das Buch für die Lerngruppe gut, da jenes.

"Lehrer planen und gestalten ihren Unterricht selber"

Das empfinde ich zunehmend als falsch, da "man" mehr und mehr direkten Einfluss genau auf diesen Punkt erlangen möchte durch z.B. konkrete inhaltliche und methodische Vorgaben, die oft genau eine Legislaturperiode halten.

"Lehrer werden nicht dafür bezahlt, Unterrichtsmaterialien selber zu entwickeln."

Das sehe ich auch als falsch an. Ich werde m.E. selbstredend dafür alimentiert, das zu tun. Und wenn die öffentlich-rechtlich erstellten Medien und die Ergebnisse aus öffentlich geförderten Forschungsprojekten jederman frei zugänglich und für jeden frei für die Lehre verfügbar sind, können wir auch darüber reden, dass ich das "abliefern" muss. Bis dahin liefere ich das ab, von dem ich meine, dass es einem anderen nützen kann.

Ich habe das ein oder andere Angebot von Verlagen erhalten. Meist waren es Tantiemen, d.h. ich arbeite viele, viele Stunden und bin am Umsatz des Lehrwerkes beteiligt. Das ist halt Börse, ein Spiel, das ich mir nicht leisten kann, dann lieber Hobby ohne Verpflichtung und vollen Rechten. Da kann was kommen, aber auch nichts.

Ich weiß aus zumindest einem Verlag, dass es zunehmend schwerer wird, Lehrende zu finden, die Materialien entwickeln. Und ich nutze sehr oft Material, was Lehrende erstellt haben, weil ich genau wie du denke, das viel so erstelltes Material gut ist.

Dass Lehrende zunehmend weniger im kommerziellem Sektor Content zu produzieren bereits sind, hat bestimmt verschiedene Gründe. Die Verlage hatten sehr lange Zeit eine Art Distributionsmonopol für Lehrmaterialien - das fällt mehr und mehr weg, da ich selbst distribuieren kann - kostenlos und weltweit. Das klassische Geschäftsmodell der Lehrbuchverlage hat in meinen Augen keine langfristige Chance.

Die Politik sägt daran durch Antikontinuität - wenn das an die neuen Vorgaben angepasste Werk herauskommt, steht oft in zwei Jahren die nächste Wahl an. Das kann sich kein Verlag lange leisten. Deswegen meine ich dort schon so etwas wie Modularität zu erleben: Man kopiert neue Lehrbücher aus alten zusammen und gestaltet Übergänge zwischen den Brüchen.

Große Konzerne sägen daran, z.B. Suchmaschinenbetreiber, die sowohl kommerzielles als auch freies Material erst auffindbar machen, es katalogisieren und durch Algorithmen gewichten.

Man versucht jetzt z.B. Oppositionen aufzumachen: Kommerzielles Material = gut, freies = schlecht. Vielleicht klappt das, vielleicht nicht. Beides gestalten ja oft Lehrer. Es ist immerhin eine Reaktion, die aber sehr spät kommt.

Der Wettbewerb wird entscheiden - das sehe ich auch so.

Gruß,

Maik
Als Antwort auf Maik Riecken

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Marcus Hoberg -

Moin moin,

das ist ja offensichtlich eine verwickelte Situation.

@Ralf: Was wird durch die Kopiererpauschale abgedeckt? Ich meine, daß "die für eine Klasse erforderliche Zahl" kopiert werden darf, und die Abgaben über die Zentralstelle Fotokopieren an Schulen (ZFS) an die VG Wort abgerechnet werden? Die VG Wort verrechnet dann mit Verlagen und Autoren.

@Maik: Mein Gefühl nach Gesprächen mit Lehreren ist, daß der Zug immer schneller in Richtung einer "Standardisierung" von Lehrmaterial führt (insbesondere nach Einführung des Zentral-Abitures). Wir reden also eher von Vereinheitlichung denn von Kreativitätswellen. Und wenn die Halbwertzeit von Lernmaterial der Legislaturperiode entspricht, dann ist Kaufen eben schneller als selber Neumachen. Treiber der Standardisierung sind auch die Schulbuchverlage, die keine 12 Länder-Ausgaben des gleichen Buches machen möchten (es lebe der Föderalismus, der Staat steht sich selber im Wege lächelnd. Auf jeden Fall haben sich Lehrer bei mir als "Zettelverteiler" beschrieben.

Viele Grüße, Marcus

Als Antwort auf Marcus Hoberg

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Maik Riecken -
Externe Standardisierung vordergründig ein Ausweg, wenn man sich unsolidarisch verhält und seine Lernmodule nicht herausrückt und teilt, geschweige denn zusammenarbeitet. Sie ist durch die drohende Halbwertszeit zusätzlich teuer, vielleicht ist gerade da das neue Geschäftsmodell für die Verlage - ich würde an deren Stelle ganz genauso handeln, die müssen sehen, wie sie die Brötchen verdienen.

Standardisierung steht für mich im absoluten Widerspruch zu individuellen Lernwegen. Gleicher Input = gleicher Output funktioniert in der Programmierung sehr gut, ob das bei Menschen auch so laufen wird? U.a. die Wirtschaft verbreitet gelegentlich diesen Glauben - äh, sorry, die durch Studien nachgewiesene Tatsache. Schau dir mal an, wer hier in NDS das KuMi berät.

Die thematischen Vorgaben zum Zentralabitur fallen hier in NDS bald weg und werden durch Curricula ersetzt - da "wir" das große Vorbild (mehr Qualiät bei weniger Finanzmitteln) für andere BL sind, kann man sich ungefähr denken, wie das allgemein weitergeht.

Ich glaube, dass die meisten Herausforderungen, vor denen wir in den Schulen stehen, psychologische und soziologische sind. Wenn es da läuft, läuft es anderswo auch.

Gruß,

Maik


Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Beat Bucher -
Hallo Ralf

Du schreibst:
"Es gibt für mich da einen Widerspruch, den ich noch nicht aufklären kann:
a) Lehrer planen und gestalten ihren Unterricht selber
b) Lehrer werden nicht dafür bezahlt, Unterrichtsmaterialien selber zu entwickeln."

a) Als Lehrer und Schulleiter muss ich sagen, dass a (mindestens bei uns) stimmt. (Es gibt Konzepte, die nehmen den Lehrern die Planung und teilweise die Gestaltung des Unterrichts ab - oder weg!)

b) Ich konnte in meiner 30 jährigen Tätigkeit als Lehrer, momentan Realschule (12 bis 16 Jährige) und Kursleiter in dder Erwachsenenbildung nie darauf verzichten, einen Teil des Unterrichtsmaterials selber zu entwickeln. Es gibt nichts, das man tel-quel übernehmen kann. (Es geht hier nicht um einfache Anpassungen.)

Gruss vom Fusse _der_ Jungfrau: Beat
Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Innovative Lehrer müssen ins Gefängnis!!!

von Jörg Backhaus -

Bin sehr dafür die Teilkultur unter Lehrern zu verstärken. Beim Einführungsseminar zur Digitaloffensive Baden-Württemberg gab es auch prompt einen Vortrag über CC Lizenzen und wie man sie seinen Werken hinzufügt.

Dort wurde auch der Appel ausgesprochen nur CC Materialien zu verwenden und zu erstellen um die Teilbarkeit der eigenen Werke sicherzustellen.

Persönlich bin ich eh der Meinung,  dass ich als gutbezahlter Lehrer das in der Arbeitszeit erstellte Material meinem Arbeitgeber zur freien Verfügung bereitstellen muss. Es scheitert dann bei mir konkret am Aufwand dafür, weniger an der Bereitschaft. 

Aber innerhalb von Moodle habe ich jetzt die Struktur dafür mit Fragensammlungen im Kernsystem und der Rolle Fragenverwalter für alle Lehrer geschaffen.