Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Ralf Hilgenstock -
Anzahl Antworten: 11
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Ich habe gerade ein Interview mit Dr. Ariane Reinhart und Harald Schirmer von Continental in der Zeitschrift personalmagazin, 1/2019, S. 28 ff gelesen. Titel des Interviews 'Freedom to act'. (Leider nicht frei verfügbar)

Sie machen dabei sehr eindrücklich klar wohin der Zug im Unternehmen geht.  Die Bedeutung von Hierarchien als Grundprinzip wird geringer. Statt dessen treten (temporäre) Netzwerke in den Vordergrund. Jede soll mit jeder kommunizieren können. Jeder kann von jeder profitieren. Gemeinsam können sie etwas sinnvolles gestalten.  (Das sind keine Neuigkeiten.)

Continental  scheint hier auf einem guten Weg zu sein, das auch praktisch zu leben.

Beim Lesen fiel mir die Diskussion zur Nutzung des Messengers in Moodle ein. Viele waren sehr glücklich, dass es nunmehr möglich ist, die Kommunikation mittels Messenger zu beschränken auf Personen mit denen man im gleichen Kurs ist.

Mir sind Schulen bekannt, die zuvor diese Funktion deaktiviert haben. Mir sind Hochschulen bekannt, die unter dem Aspekt des Datenschutzes ebenfalls gesagt haben, die Kontaktaufnahme sollte unterbunden werden.

Tun wir uns damt einen Gefallen?

Geht es um Missbrauch und Belästigung? Mir ist kein Fall bekannt in dem die Funktion missbraucht wurde. In Moodle sind die Nutzer mit Ihrem Realnamen unterwegs.  Bei angenommenen Belästigungen sind die 'Täter' identifizierbar. Dann gibt es genug Möglichkeiten Fehlverhalten zu ahnden. Dazu braucht es die Sperre nicht.

Geht es um Datenschutz? Große Unternehmen haben zehntausende von Mitarbeitenden. Intern sind die Mitarbeiterlisten über Telefonbücher etc. einsehbar. Hochschulen haben auch z.T. zehntausende von Studierenden. Worin liegt der Unterschied? Schulen haben  hundert bis 3.000 Schüler. Zumeist sind sie auf dem gleichen Grundstück, sehen sich täglich und begegnen sich im Alltag auch ausserhalb der Schule. Niemand kommt auf den Gedanken auf dem Schulhof Sichtzäune zwischen den Klassen/Jahrgängen einzurichten, damit man sich nicht sieht. Warum ist es in der Lernplattform anders?

In den Unternehmen fängt man an, die Abteilungs-Silos aufzuheben und kreativ zu zerstören. In Bildungseinheiten hegen und pflegen wir Silos.

Könnten wir das auch ganz anders denken?
  • In Moodle gibt es ein Nutzerprofil. Hier kann jeder über sich etwas kundtun und dies jederzeit anpassen. Könnte das nicht auch als Börse für Kenntnisse und Fähigkeiten genutzt werden?
  • Im Profil gibt es ein Feld Interessen. Die Einträge vernetzen automatisch Menschen mit gleichen Interessen. Welche Chancen liegen darin, das tatsächlich zu nutzen zur Vernetzung?
  • Im Messenger kann jeder Kriterien festlegen, wer ihn kontakten darf. Unerwünschte Kontaktversuche können leicht geblockt werden.
  • Bildungseinrichtungen sollen vorbereiten auf das Leben 'da draussen'. Wenn das Leben da draussen aus Netzwerken besteht, warum nutzen wir nicht den Mikrokosmos Bildungsinstitution dafür, dies zu üben.
  • Es ist ein Missverständnis, dass der Datenschutz dem entgegensteht. Die gleichen gesetzlichen Regelungen gelten für einen Arbeitgeber. Da ist es kein Problem.  Warum dann an einer Hochschule?
  • Geht es um Minderjährige (oder Kinder lt. DSGVO)? Dann müsste man das Problem mit der Kommunikaton mal eingrenzen.
    Man lese sich dazu einfach mal den Medienkompetenzrahmen der Kultusministerkonferenz durch.  Da taucht immer wieder das Thema auf: Lernen wie man in digitalen Umgebungen kommuniziert.
  • Geht es um Missbrauchsschutz oder wird es zur vorsorglichen Behütungsmassnahme?
Ich will diesen Beitrag als Diskussionspunkt sehen.

Gruß
Ralf Hilgenstock


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Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Matthias Giger -
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An Schulen (nicht Hochschulen) wird vor allem auf die Problematik verwiesen, dass Schülerinnen und Schüler während dem Unterricht mit Hilfe von Moodle unerlaubterweise miteinander kommunizieren könnten. Darum wird dann eine Diskussion darüber losgetreten, ob eine solche Funktion nicht gesperrt werden müsse. Man stelle sich vor, Lernende könnten einander während einer Online-Prüfung entsprechende Hinweise zukommen lassen!

Meiner Erfahrung - und ich führe häufig Onlineprüfungen durch - kommt dies selten oder gar nicht vor, denn die Lernenden wissen, eine solche Aktion kann zurückverfolgt werden. Und im Präsenzunterricht gibt es ja auch immer noch die bewährte Methode der analogen Informationsübermittlung.

Meiner Meinung nach überwiegen die Vorteile des Mitteilungssystems von Moodle gegenüber allfälligen Nachteilen. Insbesondere auch dann, wenn man stattdessen einen anderen Messengerdienst einsetzt, welcher dann garantiert nicht kompatibel zu den Datenschutzbestimmungen ist.

Als Antwort auf Matthias Giger

Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Ralf Hilgenstock -
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Hallo Matthias

an die Prüfungssituation habe ich nicht gedacht: guter Punkt.

Ralf

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Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Visvanath Ratnaweera -
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Hoi Matthias

Meinst du richtige (notenrelevante) Prüfungen? Die müssen ganz anders verlaufen als die üblichen Unterrichtsstunden. Ich meine, streng überwacht. Der Lehrer steht hinten im Zimmer oder gesichert duch ein Kiosk-System (Safe Exam Browser, Lernstick), oder beides!
Als Antwort auf Visvanath Ratnaweera

Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Matthias Giger -
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Lieber Visvanath

Auf der Volksschule (Klassen 1-9) sind Prüfungen eigentlich immer notenrelevant - nebst anderen Tätigkeiten der Schülerinnen und Schüler. Davon unterschieden werden dann Standortbestimmungen (fliessen in der Regel nicht ins Zeugnis ein) und Selbstkontrollen (mit formativem Charakter).

Allerdings gehen viele Exponenten davon aus, dass gerade durch die zunehmende Digitalisierung die Grenze zwischen summativen, formativen und prognostischen "Tests" verschwinden wird.

Dabei wird sehr gerne auf die Unsicherheit von Online-Prüfungen hingewiesen. Zumindest in der Volksschule muss dies aber stark relativiert werden. Denn bei Online-Prüfungen muss erst noch einmal zwischen Prüfungen unterschieden werden, welche vor Ort in der Schule online durchgeführt werden und Fernprüfungen, welche z.B. zuhause absolviert werden. Letztere haben bisher in der Volksschule meines Wissens kaum Einzug gehalten.

Bei Prüfungen vor Ort unterscheidet sich die Aufsicht nicht von Prüfungen auf Papier. Und diese ist wieder stark abhängig von der Lehrperson. So empfinde ich beispielsweise das Vorgehen bei vielen Aufnahmeprüfungen (z.B. relevant für weiterführende Schulen) eher als lasch. Die Schüler sitzen an Tischen, welche für die Prüfung zwar auseinandergerückt werden, aber trotzdem einen Einblick auf andere Prüfungsblätter zulassen. Meist sitzt dann die Lehrperson vorne an einem Pult und schaut entweder in die Runde oder liest (zumindest Berichten zufolge) in einem Buch.

Nebst einer mehr oder weniger aufmerksamen Überwachung gibt es dann neben rein technischen Mitteln (geschützte Prüfungsumgebung), welche zumindest auf Ebene Volksschule kaum praktikabel umzusetzen sind, weit bessere Methoden: z.B. die Randomisierung von Aufgaben.

Für mich ist also die Durchführung von "scharfen" Prüfungen definitiv kein Grund, das Mitteilungssystem von Moodle zu deaktivieren. 

Damit will ich nicht sagen, dass ein Missbrauch ausgeschlossen werden kann, er ist einfach nicht wahrscheinlicher als bei einem traditionellen Test auf Papier.

Um auf das Thema zurückzukommen: Das Mitteilungssystem von Moodle ermöglicht einen ziemlich sicheren und im Notfall nachvollziehbaren Austausch zwischen den Lernenden und erlaubt es mir, Lernenden schnell und unkompliziert Mitteilungen zukommen zu lassen. Diese können persönlich sein oder auch an eine ganze Gruppe versendet werden. Was übrigens auch schon in älteren Moodleversionen problemlos möglich war, sofern man vorgängig einen entsprechenden Klassenkurs eingerichtet hatte.

Als Antwort auf Matthias Giger

Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Visvanath Ratnaweera -
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Hoi Matthias

Vielen Dank für die super klare Erläuterung. Mir ist alles klar. Ich habe von Prüfungen was gelesen und gleich angenommen, es ginge um die Schule: Volksschule, Berufsbildung oder Hochschule. Ich hätte den ersten Beitrag genauer lesen sollen: Es geht um Unternehmens­umfeld (Pädagogisches?). Auf jeden Fall nicht mein Bier.
Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Steffen Bachmann -
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Ein paar Aspekte von meiner Seite:

  • Ich denke so etwas soll/muss in den Medienkonzepten der jeweiligen Schulen festgelegt werden. Also welcher Kommunikationskanal wird für welchen Zweck verbindlich genutzt. Es gilt dann also nicht: "Ich haben meine Mails/Messages etc. nicht bekommen/gelesen. Ich halte es für ziemlich sinnfrei parallel möglichst viele Kommunikationskanäle bedienen zu wollen (das gilt übrigens auch für Webseiten und soziale Medien).

  • Wenn die Schule als Anbieter eines solchen Dienstes auftritt, ist sie auch dafür verantwortlich. Das umfasst nicht nur die technische Funktion und Verfügbarkeit, sondern auch Fragen, wie Mißbrauch erkannt/unterbunden/verfolgt wird. D.h. dafür sind letztlich Leute abzustellen, die das machen.

  • Wie wird sichergestellt, dass niemand ausgeschlossen wird? An unserer Schule wird momentan die Webuntis-Messenger-App als Whatsapp-Ersatz diskutiert. Zitat daraus: "WebUntis Messenger auf iOS / Android...". Ich beispielsweise habe ein Handy mit Windows mobile. Damit komme ich gut klar, es erfüllt meine Ansprüche. Ich würde demjenigen, der mir jetzt anträgt "Du musst dir aber dafür eine neues Handy mit o.g. Betriebssystem kaufen" (symbolisch gesprochen) 'nen Vogel zeigen.

  • Meine Präferenz liegt ganz klar auf E-Mail. Das funktioniert auf wirklich jedem System. Es ist ein asynchrones System, d.h. die Erwartungshaltung, dass innerhalb von 30s geantwortet wird ist nicht da (sorry, bin halt nicht hyperaktiv). Und Schüler und Lehrer könnten damit lernen, wie man sicher kommuniziert (Signierung, Verschlüsselung; S/MIME, nicht PGP, das funktioniert auch mit jedem E-Mail-System).
Als Antwort auf Steffen Bachmann

Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Visvanath Ratnaweera -
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Als Antwort auf Visvanath Ratnaweera

Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Ralf Hilgenstock -
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Dies geht seit ein paar Tagen im Netz herum.  Lasst es uns nicht ernsthaft diskutieren.  Aber so hast du es ja auch nicht gemeint.

Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Visvanath Ratnaweera -
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Klar, über Google Docs wollen wir schon nicht reden. Die Nachricht hat doch eine Relevanz, sie spricht für das nicht beschränken der Mittelilung-Funktion. Für Moodle ist es gar kein Problem, denn wenn eine Site diese Funktion nicht benötigt, kann man sie mit einem Schalter abstellen.

Eigentlich geht die Entwicklung Richtung Ausbau der Mitteilung-Funktion. Zum Beispiel Moodle - Messenger - WhatsApp: Kommunikationswege.
Als Antwort auf Visvanath Ratnaweera

Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Steffen Bachmann -
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Generell haben Schüler doch schon immer Möglichkeiten gefunden sich dem Unterricht auch bei physischer Anwesenheit zu entziehen.

Früher wurden Zettel geschrieben, heute bedienen sich die Schüler eben modernerer verfügbarer Methoden. 

Dass Schulen jetzt Kommunikationslösungen für Schüler anbieten sollen sehe ich sehr kritisch, die Gründe dafür habe ich schon geschrieben.

Wir sollten auch aufpassen, das Schulen nicht plötzlich als Telekommunikationsanbieter o.ä. mit entsprechenden gesetzlichen Auflagen gelten.


Als Antwort auf Ralf Hilgenstock

Re: Sie befinden sich auf dem Holzweg: Gedanken zur Einschränkung der Kommunikation

von Visvanath Ratnaweera -
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Hallo Ralf und alle

Eine Zusammenfassung findet man online https://www.haufe.de/personal/hr-management/freedom-to-act-bei-continental_80_482552.html.

Das Thema ist Mitarbeiterführung im Unternehmen. Der FOSS-Mensch liesst "Freie Software" unter "Freedom" und schon auf dem Holzweg. Denn Herr Harald Schirmer hat gar nichts mit Freien Software zu tun. Im Gegenteil, auf seiner Linked-In Seite liesst man:

Project Lead Office 365 - New Work Style
January 2017 – Present 2 years 3 months

Mobile Office

Implementation of cloud based Office 365 and a "New Work Style" (efficiency, productivity, usability) in the global organization together with the IT project lead. Ensuring adoption and productivity gain with the new tools. Establish an "Evergreen" organization, new learning, leading change and communication concept, using the benefits of the digital age. 150k users, 50 countries, 2 years.

https://de.linkedin.com/in/haraldschirmer/en