Ich habe gerade ein Interview mit Dr. Ariane Reinhart und Harald Schirmer von Continental in der Zeitschrift personalmagazin, 1/2019, S. 28 ff gelesen. Titel des Interviews 'Freedom to act'. (Leider nicht frei verfügbar)
Sie machen dabei sehr eindrücklich klar wohin der Zug im Unternehmen geht. Die Bedeutung von Hierarchien als Grundprinzip wird geringer. Statt dessen treten (temporäre) Netzwerke in den Vordergrund. Jede soll mit jeder kommunizieren können. Jeder kann von jeder profitieren. Gemeinsam können sie etwas sinnvolles gestalten. (Das sind keine Neuigkeiten.)
Continental scheint hier auf einem guten Weg zu sein, das auch praktisch zu leben.
Beim Lesen fiel mir die Diskussion zur Nutzung des Messengers in Moodle ein. Viele waren sehr glücklich, dass es nunmehr möglich ist, die Kommunikation mittels Messenger zu beschränken auf Personen mit denen man im gleichen Kurs ist.
Mir sind Schulen bekannt, die zuvor diese Funktion deaktiviert haben. Mir sind Hochschulen bekannt, die unter dem Aspekt des Datenschutzes ebenfalls gesagt haben, die Kontaktaufnahme sollte unterbunden werden.
Tun wir uns damt einen Gefallen?
Geht es um Missbrauch und Belästigung? Mir ist kein Fall bekannt in dem die Funktion missbraucht wurde. In Moodle sind die Nutzer mit Ihrem Realnamen unterwegs. Bei angenommenen Belästigungen sind die 'Täter' identifizierbar. Dann gibt es genug Möglichkeiten Fehlverhalten zu ahnden. Dazu braucht es die Sperre nicht.
Geht es um Datenschutz? Große Unternehmen haben zehntausende von Mitarbeitenden. Intern sind die Mitarbeiterlisten über Telefonbücher etc. einsehbar. Hochschulen haben auch z.T. zehntausende von Studierenden. Worin liegt der Unterschied? Schulen haben hundert bis 3.000 Schüler. Zumeist sind sie auf dem gleichen Grundstück, sehen sich täglich und begegnen sich im Alltag auch ausserhalb der Schule. Niemand kommt auf den Gedanken auf dem Schulhof Sichtzäune zwischen den Klassen/Jahrgängen einzurichten, damit man sich nicht sieht. Warum ist es in der Lernplattform anders?
In den Unternehmen fängt man an, die Abteilungs-Silos aufzuheben und kreativ zu zerstören. In Bildungseinheiten hegen und pflegen wir Silos.
Könnten wir das auch ganz anders denken?
- In Moodle gibt es ein Nutzerprofil. Hier kann jeder über sich etwas kundtun und dies jederzeit anpassen. Könnte das nicht auch als Börse für Kenntnisse und Fähigkeiten genutzt werden?
- Im Profil gibt es ein Feld Interessen. Die Einträge vernetzen automatisch Menschen mit gleichen Interessen. Welche Chancen liegen darin, das tatsächlich zu nutzen zur Vernetzung?
- Im Messenger kann jeder Kriterien festlegen, wer ihn kontakten darf. Unerwünschte Kontaktversuche können leicht geblockt werden.
- Bildungseinrichtungen sollen vorbereiten auf das Leben 'da draussen'. Wenn das Leben da draussen aus Netzwerken besteht, warum nutzen wir nicht den Mikrokosmos Bildungsinstitution dafür, dies zu üben.
- Es ist ein Missverständnis, dass der Datenschutz dem entgegensteht. Die gleichen gesetzlichen Regelungen gelten für einen Arbeitgeber. Da ist es kein Problem. Warum dann an einer Hochschule?
- Geht es um Minderjährige (oder Kinder lt. DSGVO)? Dann müsste man das Problem mit der Kommunikaton mal eingrenzen.
Man lese sich dazu einfach mal den Medienkompetenzrahmen der Kultusministerkonferenz durch. Da taucht immer wieder das Thema auf: Lernen wie man in digitalen Umgebungen kommuniziert. - Geht es um Missbrauchsschutz oder wird es zur vorsorglichen Behütungsmassnahme?