Moodle-Kongress in Klagenfurt vom 12./13. November 2004
Als Lehrer und ICT-Projektmitglied der grössten Kaufmännischen Berufsschule der Schweiz (Grundausbildung und Erwachsenenbildung), der KV Zürich Business School, bin ich nach Klagenfurt gereist, mit dem Wunsch, nachher folgende zentrale Frage beantworten zu können:
Welche Vorteile bieten Lernplattformen wie moodle für öffentliche Schulen?
Aus den zwei intensiven Tagen in der Alpen-Adria Universität resultieren für mich auf diese Frage folgende wesentlichen Erkenntnisse:
à Moodle ist ein Open-Source-Programm. Der Code steht frei zur Verfügung. Was im ersten Moment aussieht wie ein Sicherheitsrisiko, ist ein gewaltiger Vorteil: Statt einer Hand voll Entwicklern kümmern sich weltweit hunderte von freiwilligen Nutzern um die Sicherheit und Weiterentwicklung des Programms. Alle diese Nutzer diskutieren aufgetauchte Fehler oder neue Ideen in den verschiedensten Foren. Das zentrale professionelle Entwicklerteam setzt dann diese Korrekturen und Innovationen sofort um. Ich selber habe mich im Februar 2004 mit dem Release 1.2 erstmals aktiv mit der moodle-Lernplattform beschäftigt. Heute, d.h. nach nur 9 Monaten, nutze ich bereits das Release 1.4.2. Die Plattform hat in dieser Zeit beträchtliche Fortschritte erzielt, sodass meine Kunden in unserer Berufsschule sie immer mehr schätzen. Das System läuft ohne Fehler und ist sehr sicher. Seit Beginn sind noch nie technische Probleme aufgetreten.
à Im Gegensatz zu einer gemeinnützigen Open-Source-Bewegung wie moodle dürften es die kommerziell ausgerichteten Lernplattform-Unternehmen viel schwieriger haben mit der rasanten Entwicklung im Bereich e-learning / blended learning Schritt zu halten. Einerseits müssen sie erstmals Geld verdienen um einen return on investment zu erhalten. Dazu versuchen sie auf geschickte Art und Weise die Kunden in eine gewisse Abhängigkeit zu bringen. Anderseits müssen sie ebenfalls Updates anbieten. Diese Verbesserungen erfolgen jedoch in viel längeren Zeitabständen, weil sie ja auch nur mit einem Aufpreis zu erhalten sind.
à Letztes Jahr war moodle in Evaluationsvergleichen überhaupt noch nicht aufgeführt. Heute ist moodle sicher weltweit einer der besten Open-Source-Lernplattformen. Moodle hat auch viele kommerzielle Plattformen (z.B. das weitverbreitete blackboard), vor allem bezüglich methodisch-didaktischem Nutzen, überholt. Viele Teilnehmer der Tagung bestätigten solche Erfahrungen.
à Die pädagogischen Einsatzmöglichkeiten von moodle sind sehr vielseitig. Es können nicht nur Contents bzw. Lernobjekte verwaltet, sondern darüber hinaus beliebige Kommunikationsformen wie Foren, Chats und Dialoge zwischen Lehrenden und Lernenden genutzt werden. Die herausragendsten und damit wertvollsten Instrumente waren jedoch für mich die von Peter Sereinigg vorgestellten Module, mit welchen vor allem projekt- und handlungsorientierte Lernprozesse gestaltet werden können. Auch seine Einsatzbeispiele im Zusammenhang mit automatisierten Online-Tests waren sehr beeindruckend.
à Moodle ist nicht nur ein Produkt, sondern auch eine Community, welche einen nutzbringenden Erfahrungsaustausch ermöglicht. Dass diese Community auch im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) auf einer besonderen Ebene immer mehr gelebt wird, trägt zu einer schnellen Verbreitung von moodle in allen Institutionen jeder Stufe bei.
Sowohl als Nutzer als auch Entscheidungsträger haben mir diese Erkenntnisse meine ursprüngliche Frage mehr als beantwortet. Ich bin überzeugt, mit moodle eine zukunftsfähige Lernplattform zu nutzen, welche auch die weiteren Entwicklungen in diesem sich rasch verändernden Umfeld integrieren wird.
Ich wage deshalb für die Zukunft die persönliche Prognose, dass sich langfristig im Bildungsbereich nur Open-Source-Plattformen durchsetzen werden. Die gleiche Folgerung ergibt sich wohl auch für den Einsatz von Lernplattformen in Klein- und Mittelunternehmen (KMU). Die finanziellen Ressourcen werden ja bekanntlich immer knapper. Mit einer Lernplattform allein hat man zudem einmal nur ein unmöbliertes Haus. Die Möbel und die Lebensqualität fördernden Geräte (d.h. Contents / Lernobjekte in der richtigen methodisch/didaktischen und motivierenden Aufbereitung) sind damit noch nicht vorhanden. Ich bin der Meinung, dass wir als Bildungsinstitutionen unsere Euros und Franken lieber im Einrichtungsbereich investieren sollten als in teure kommerzielle Lernplattformen. Unsere eigene Kreativität, vor allem auch im Community-Austausch, kann uns dabei von grossem Nutzen sein.
Zum Schluss meines persönlichen Rückblicks auf den Kongress in Klagenfurt möchte ich allen Beteiligten danken:
- Peter Sereinigg und seinem Team (Kathrin Lind und Martha Bauer) für die ausgezeichnete Organisation und Durchführung des Anlasses und die gelebte Gastfreundschaft rund um die Uhr (inkl. persönliche Stadtführung !)
- Den Referenten Claudia Steinberger, André Krüger und Peter Sereinigg für die spannenden zwei Workshop-Tage, verbunden mit den vielen wertvollen Ideen und Tipps rund um den Einsatz von moodle.
- Meinem Magister-Kollegen Leonhard Küllinger für die spontanen Co-Referenten-Einsätze, für das zusammenfassende e-mail-Protokoll und für die Initiative eines Schulforums auf moodle.org
- Allen andern MitteilnehmerInnen für den herzlichen und offenen Gedanken- und Erfahrungsaustausch in Klagenfurt.
Für mich war das internationale Meeting in Klagenfurt ein voller Erfolg. Ich freue mich schon jetzt auf das nächste Treffen am 14. März 2005 in Berlin. Dann wäre vielleicht auch mal eine Reise in die Schweiz gefragt? Sollte dies ein Wunsch der deutschsprachigen moodle-Community sein, würde ich mich selbstverständlich dafür einsetzen.